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KZ-Gedenken in Dachau: «Das Gute kann das Böse überwinden»


Von Cordula Dieckmann und Sabine Dobel, dpa

/04.05.2015/ Erinnern, Gedenken und Mahnen. Der Ort Dachau ist weltweit verbunden mit der Erinnerung an die grauenvollen NS-Verbrechen. Beim Gedenken
zum 70. Jahrestag der Befreiung fordern Überlebende, auch in Zukunft
mutig Stellung zu beziehen gegen Antisemitismus und Fremdenhass.

Dachau (dpa) - Viele junge Menschen sind da. Schüler aus Dachau
tragen weiße Rosen als Symbol für die vielen Widerstandskämpfer aus
ganz Europa, die im Konzentrationslager Dachau inhaftiert waren. Und
sehr alte Menschen sind gekommen: Sie haben hier unter der Willkür
der SS-Schergen gelitten. Max Mannheimer zum Beispiel. Im Rollstuhl
wird der 95-Jährige in ein Zelt vor dem früheren Krematorium
geschoben. Nach den christlichen Gottesdiensten und der jüdischen
Feier geht das Gedenken an dem Ort weiter, an dem die Nazis Tausende
Leichen verbrennen ließen.

Bei der Gedenkfeier harren auch im Freien viele bei strömendem Regen
aus. Anschließend geht es zu einem Gedenkmarsch: die Lagerstraße
entlang, vorbei an den leeren Betonsockeln, die heute die Standorte
der langen Barackenreihen rechts und links des Weges markieren. Es
regnet und regnet, immer wieder schlägt eine Glocke, während die
Menschen schweigend zum Appellplatz ziehen. Sie stapfen unter bunten
Regenschirmen durch tiefe Pfützen oder stützen alte Menschen, die es
mit Rollatoren oder Rollstühlen nur mühsam über den Schotter
schaffen, bevor das Gedenken auf dem Appellplatz fortgesetzt wird.

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130 Überlebende sind teils von weit her mit ihren Familien angereist,
auch einige Befreier von damals sind dabei, viele von ihnen 85 Jahre
und älter. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) richtet in ihrer Rede
als allererstes ihren «tief empfundenen Dank» an die Zeitzeugen, die
bis ins hohe Alter nicht müde werden, von dem Grauen zu berichten -
auf dass es nie wieder geschehe. «Es ist ein großes Glück, dass
Menschen wie Sie bereit sind, uns ihre Lebensgeschichten zu erzählen,
das unendliche Leid, das Deutschland in der Zeit des
Nationalsozialismus über Sie gebracht hat.»

Merkel nimmt als erste Kanzlerin an dem Gedenken teil. Schon 2013 war
sie hier, allerdings nicht zum Jahrestag der Befreiung. Nach der
Zeremonie legt sie vor dem Internationalen Mahnmal den ersten von
mehr als 100 Kränzen für die Opfer nieder.

Rund 200 000 Menschen waren in Dachau von 1933 bis 1945 inhaftiert:
Juden, Sinti und Roma, Sozialisten, Kommunisten, Geistliche,
Homosexuelle, später Widerstandskämpfer und Kriegsgefangene.
Mindestens 41 500 starben - an Hunger, Entkräftung, Krankheit. Oder
sie wurden ermordet. Außerdem wurden hier Nazi-Schergen im Töten
unterrichtet, das KZ galt als «Mörderschule der SS».

«Kein Tier ist mir bekannt, das sich einem anderen Tier gegenüber so
bestialisch verhält, wie es ein Mensch einem anderen Menschen
gegenüber offensichtlich kann», sagt der Direktor der Stiftung
Bayerische Gedenkstätten, Karl Freller. Das erschüttert auch Abba
Naor aus Israel, der mit zwei kleinen Urenkeln angereist ist. «Selbst
KZ-Kommandanten waren liebevolle Familienväter», schildert der
Überlebende. Sie hätten mit ihren Kindern gespielt, nachdem sie
Tausende in den Tod geschickt hätten. «Sie waren Menschen wie Sie und
ich, und das ist ja das Furchtbare daran.»

Am 29. April 1945 setzten in Dachau US-Truppen dem entsetzlichen
Treiben ein Ende. «Wir konnten aufatmen, wir waren nicht nur eine
Nummer jetzt, wir waren auch Menschen», schilderte Vladimir
Feierabend seine Gefühle damals. Der 90 Jahre alte Mediziner aus Prag
war als politischer Häftling mit Vater und Großvater nach Dachau
gebracht worden. Auch für die US-Truppen war die Befreiung bewegend:
«Wir werden nie vergessen, wie überwältigt wir waren, als sie uns
umarmt haben», beschreibt Alan Lukens, Veteran und ehemaliger
US-Botschafter. Seine Botschaft: «Wir wollen erinnern, dass das Gute
das Böse überwinden kann.»

Gerade darüber aber machen sich heute manche Sorgen. Vor allem
Vertreter des Judentums in Deutschland äußern sich beunruhigt. «Wenn
ich darauf blicke, wie heute einige Bürger gegen Flüchtlinge hetzen,
oder wie abwertend über Juden gesprochen wird - dann frage ich mich:
Wie sehr ist das hohe Gut der Menschenwürde eigentlich noch in den
Köpfen verankert?», sagt der Präsident des Zentralrats der Juden in
Deutschland, Josef Schuster.

Dennoch: Die meisten Opfer von damals seien nicht voller Rache, sie
wollten Wege der Versöhnung gehen und eine Zukunft ohne Hass bauen,
sagt der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, der Münchner
Kardinal Reinhard Marx. «Uns verblüfft das.»

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