Kanzler der Deutschen Einheit: Helmut Kohl wird 85 Von Klaus Blume
Von Klaus Blume, dpa
/03.04.2015/ Der «schwarze Riese» ist verstummt. Vor seinem runden Geburtstag wird
in Deutschland wieder viel über Helmut Kohl geredet. Doch der kranke
Altkanzler kann
kaum noch sprechen.
Berlin (dpa) -
deutsche Geschichte
eingegangen. 16 Jahre hat er regiert, so lange
wie kein anderer Bundeskanzler. Höhepunkt
seiner Amtszeit war die
Wiedervereinigung Deutschlands 1990, danach wurde er zu einem
der
Väter der europäischen Währungsunion. Später warf die
Parteispendenaffäre hässliche
Schatten auf sein Lebenswerk.
Gesundheitlich schwer angeschlagen, begeht der Altkanzler
am 3. April
seinen 85. Geburtstag.
Wegen seiner Körpergröße von 1,93 Meter und der
politischen Farbe des
deutschen Konservatismus nannte man ihn auch den «schwarzen
Riesen».
Weniger schmeichelhafte Spitznamen lauteten «Birne» oder einfach «der
Oggersheimer»,
nach einem Ortsteil seiner Heimatstadt Ludwigshafen.
Dort, im Bundesland Rheinland-
39 Jahren wurde er 1969 Ministerpräsident, vier Jahre
später übernahm
er den Bundesvorsitz der Christdemokraten.
Beim ersten Anlauf als Kanzlerkandidat
der CDU/CSU verlor Kohl 1976
hauchdünn gegen Amtsinhaber Helmut Schmidt. Er zog als
Oppositionsführer
in die damalige Hauptstadt Bonn, wo er wegen seines
pfälzischen Zungenschlags oft
als Provinzpolitiker verspottet wurde.
Seine große Stunde schlug sechs Jahre später:
Im Streit um die
Wirtschafts-
Koalition
mit Schmidts Sozialdemokraten und wechselten ins Lager
Kohls. Am 1. Oktober 1982 wählte
der Bundestag Kohl zum Kanzler.
Kohl versprach eine «geistig-
Amtsjahre verliefen recht unspektakulär mit begrenzten Reformen im
Inneren
und Kontinuität in der Außenpolitik. Dem Kanzler wurde oft
vorgeworfen, Probleme «auszusitzen».
Beim CDU-
September 1989 versuchten seine Widersacher ihn abzusetzen,
der
Putschversuch scheiterte kläglich. Da hatte der politische Umbruch in
Ostmitteleuropa
schon begonnen, und Kohl lief zu Hochform auf.
Ohne den Fall der Berliner Mauer im
November 1989 wäre Kohl nach
Ansicht seines Biografen Hans Peter Schwarz wohl «ein
mittelmäßiger
Bundeskanzler» geblieben. Nun aber preschte er vor, präsentierte
einen
Zehn-
Staaten, schaffte es, die
Sorgen der Nachbarländer zu zerstreuen und
überzeugte schließlich den sowjetischen
Präsidenten Michail
Gorbatschow, dem Verbleib des wiedervereinigten Deutschlands in
der
Nato zuzustimmen. In der Nacht zum 3. Oktober 1990 wurde die Einheit
Wirklichkeit.
Ein Foto zeigt Kohl, wie er vor dem Berliner Reichstag
steht und den Kopf selig zum
Himmel streckt.
Die Wirtschaftspolitik zählte nicht zu den Stärken des
Machtpolitikers
Kohl, und so unterschätzte er völlig die
Schwierigkeiten bei der Integration der neuen
Bundesländer. Die
ostdeutsche Wirtschaft verkraftete die schnelle Einführung der D-
nicht,
die Arbeitslosigkeit schnellte in die Höhe, die von Kohl
versprochenen «blühenden
Landschaften» ließen in der ehemaligen DDR
auf sich warten. Die Popularität des «Kanzlers
der Einheit»
bröckelte. 1998 kam die «Kanzlerdämmerung»: Nach der verlorenen
Bundestagswahl
musste Kohl dem Sozialdemokraten Gerhard Schröder
Platz machen.
In einem jetzt vollständig
veröffentlichten Fernsehinterview aus dem
Jahr 2003 bekräftige Kohl, dass er eigentlich
schon 1996/97
zurücktreten wollte. Er sei im Amt geblieben, um die Euro-
durchzusetzen.
Für den «Herzenseuropäer» Kohl war es laut Schwarz
fundamental, die Einheit Europas
durch den Euro unumkehrbar zu
machen. Von seiner europäischen Vision überzeugt, wischte
er alle
Bedenken beiseite.
Bald nach seiner Abwahl als Kanzler und dem Verzicht auf
den
Parteivorsitz holte die Spendenaffäre Kohl ein. Er musste zugeben,
als CDU-
zu haben, ohne diese offiziell
zu deklarieren. Mit dem Verweis auf
sein «Ehrenwort», das er den Spendern gegeben
habe, weigert er sich
bis heute, deren Namen zu nennen. Das Ermittlungsverfahren gegen
ihn
wurde 2001 gegen eine Geldbuße in Höhe von 300 000 DM eingestellt.
Im selben Jahr
nahm sich Kohls Ehefrau Hannelore, die unter einer
Lichtallergie litt, das Leben.
Kohl heiratete später die 34 Jahre
jüngere Maike Richter. Zu seinem Geburtstag steht
der Altkanzler
jetzt wieder im Medieninteresse. Er selbst kann sich kaum noch
äußern.
Von einem schweren Sturz 2008 hat er sich nie wieder erholt,
er sitzt im Rollstuhl,
und das Sprechen kostet den einst
wortgewaltigen Patriarchen große Mühe.