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«Toni Erdmann» siegt - Europäischer Filmpreis für Deutschland


Von Natalie Skrzypczak und Elke Vogel, dpa


/ 12.12.2016/ Fünffacher Triumph für «Toni Erdmann». Viele politische Töne. Und ein
schwer gerührter Ex-James-Bond-Darsteller. In Breslau wurden die
Europäischen Filmpreise vergeben.

Breslau (dpa) - Mit der Tragikomödie «Toni Erdmann» haben die
Deutschen erstmals nach zehn Jahren wieder den Europäischen Filmpreis
gewonnen. Das fast dreistündige Vater-Tochter-Drama von Maren Ade
räumte am Samstagabend beim 29. Europäischen Filmpreis in Breslau
(Wroclaw) aber nicht nur in der Königskategorie «Bester Spielfilm»
ab. Mit fünf Nominierungen galt «Toni Erdmann» als Favorit und machte
dann auf ganzer Strecke das Rennen.

Das bereits beim Filmfest Cannes gefeierte, dann aber überraschend
leer ausgegangene Werk siegte in allen Hauptkategorien. Ade, die am
Montag ihren 40. Geburtstag feiert, konnte sich nicht nur über die
Trophäe für den besten Spielfilm freuen. Ihre Hauptdarsteller Sandra
Hüller und Peter Simonischek wurden als beste Schauspieler geehrt.
Ade selbst nahm die Preise für die beste Regie und das beste Drehbuch
entgegen.

«Ich bin sehr glücklich und geehrt», sagte die Filmemacherin, die mit
«Toni Erdmann» im Februar ins Rennen um den Auslands-Oscar geht.
Eigentlich stehe sie nicht gerne im Scheinwerferlicht, sondern lieber
hinter der Kamera, hatte Ade noch vor der Gala gesagt. «Ich werde
nervös, wenn ich etwas sagen muss.»

An Preisregen und Rampenlicht fand sie dann doch Gefallen. «Das ist
der Teil am Filmemachen, den ich am meisten genieße», sagte Ade, als
sie den Drehbuch-Preis entgegennahm. Diesen widmete sie ihrem eigenen
Vater, der sie vieles gelehrt habe - auch Humor. «Das hilft nicht nur
beim Drehbuchschreiben.»

Nach zehn Jahren Flaute kann sich damit auch Deutschland wieder über
das europäische Pendant zum US-amerikanischen Oscar freuen. Zuletzt
hatte Florian Henckel von Donnersmarck 2006 für sein Stasi-Drama «Das
Leben der Anderen» den Preis als bester europäischer Spielfilm
bekommen.

Sandra Hüller hatte fest damit gerechnet, dass sie gegen die
ebenfalls nominierte Französin Isabelle Huppert keine Chance haben
würde - und freute sich dann umso mehr: «Wir haben so viel Arbeit
reingesteckt. Es ist eine schöne Belohnung.» Simonischek erwischte
die Ehrung kalt - aus Aberglauben hatte er keine Danksagung
vorbereitet. «Ich habe viele davon zu Hause, die ich nie gebraucht
habe», sagte er dem lachenden Publikum.

Die Statue für die Beste Komödie ging nach Schweden für «Ein Mann
namens Ove» von Hannes Holm. Den Preis für den besten Dokumentarfilm
bekam der Italiener Gianfranco Rosi für «Seefeuer». Der Film über
Flüchtlinge auf Lampedusa hatte bereits bei der diesjährigen
Berlinale gewonnen.

Für Romantik während der rund dreistündigen Gala sorgte
Ex-James-Bond-Darsteller Pierce Brosnan. Der Ire wurde für seinen
Beitrag zum Weltkino geehrt. Mit einem Liebesbekenntnis widmete er
den Ehrenpreis seiner im Publikum sitzenden Frau Keely. «Ich könnte
ohne Deine Liebe diese Arbeit nicht machen», sagte Brosnan mit Tränen
in den Augen. «Ich liebe dich.» Das Paar ist seit 2001 verheiratet.
Einen Ehrenpreis bekam auch der französische Drehbuchautor
Jean-Claude Carrière («Cyrano von Bergerac», «Dieses obskure Objekt
der Begierde») für sein Lebenswerk.

Posthum wurde Polens verstorbener Meisterregisseur und
Akademie-Mitgründer Andrzej Wajda («Das Massaker von Katyn», «Pan
Tadeusz») geehrt. «Wenn es einen gibt, der heute Abend schmerzlich
vermisst wird, ist es Andrzej Wajda», sagte Akademie-Präsident Wim
Wenders. Der polnische Filmemacher, der bis ins hohe Alter gedreht
hatte, starb im Oktober mit 90 Jahren.

Europas Kino brachte Stars und Sternchen am Samstagabend in der
diesjährigen europäischen Kulturhauptstadt zusammen. Deswegen machten
die Gastgeber «Europa» auch zum Motto der glamourösen Gala. Breslaus
Bürgermeister Rafal Dutkiewicz warnte vor dem sich derzeit
ausbreitenden Nationalismus. «Nationalismus ist wie stinkender
Schweiß, der vom Körper abgewaschen werden muss», sagte er. «Europa,
nimm eine Dusche!», appellierte er. «Sei unsere hellleuchtende
Zukunft.»

Darauf stiegen auch die Preisträger ein. «Wenn Europa eine Dusche
braucht, versuchen wir, Wasser zu bringen», sagten die polnischen
Gewinner des Publikumspreises, Malgorzata Szumowska und Michal
Englert («Body»).

Anspielungen gab es auch zum politischen Rechtsruck im Gastgeberland.
2015 kamen in Polen die Nationalkonservativen an die Macht und setzen
seitdem zahlreiche von Menschenrechtlern und Kulturschaffenden
kritisierte Reformen um. «Polen ist ein Teil Europas», sagte der
polnische Gala-Moderator Maciej Stuhr. Er hoffe, dass dies morgen
auch noch so sein werde. Politisch wurde es auch, als
Ex-Pussy-Riot-Mitglied Marija Wladimirowna Aljochina an das Schicksal
des inhaftierten ukrainischen Filmemachers Oleg Sentsov erinnerte.


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