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Und noch ein Konflikt - Deutscher Außenminister zu Besuch im Irak

Von Christoph Sator, dpa


/ 08.12.2015 / Außenminister Steinmeier zu Besuch im Irak: Es geht darum, wie in dem geschundenen Land der gemeinsame Kampf gegen den IS aussehen kann.
Doch dann poppt plötzlich ein neuer Konflikt auf. Noch einer.

Bagdad (dpa) - Eigentlich ist dies einer der Räume, wie es sie in
arabischen Palästen so viele gibt. Hohe Decken, dazu Plüschsessel und
Beistelltischchen, auf denen sich die regionaltypische Schachtel mit
Kosmetiktüchern befindet. Nur, dass dem Raum hier in Bagdad das
Zentrum fehlt. Früher, als der Palast noch Saddam Hussein gehörte,
war dies der große Kabinettssaal mit einem gewaltigen Tisch in der
Mitte. Heute wartet man hier nur noch darauf, zu Ministerpräsident
Haider al-Abadi vorgelassen zu werden.

Am Montag nun stand Frank-Walter Steinmeier etwas müde in dem Raum
herum. Am Abend zuvor, nach der Zwischenlandung in Jordanien, war es
für den deutschen Außenminister mit der alten Transall nicht mehr
weitergegangen, ohne die die Bundeswehr aus Sicherheitsgründen nicht
nach Bagdad fliegen will. Technischer Defekt, mal wieder. Bis Ersatz
da war, dauerte es zwei Stunden. So war es schon mitten in der Nacht,
als Steinmeier endlich landen konnte.

Aber Bagdad ist eines dieser Ziele, für die man auch solche Strapazen
auf sich nimmt. Bei all den Debatten über Syrien vergessen viele,
dass die Terrormiliz Islamischer Staat (IS) im Irak ihren Ursprung
und ihre Heimat hat. Nach ihrem gewaltigen Vormarsch im vergangenen
Jahr hat der IS immer noch große Teile des Landes unter ihrer
Kontrolle, darunter auch die zweitgrößte Stadt Mossul.

Grund genug also für einen Besuch, um sich mit der Zentralregierung
in Bagdad einige grundsätzliche Gedanken über die Zukunft zu machen.
Viele fürchten, dass es den Irak in seiner heutigen Form nicht mehr
lange geben wird. Auch wenn es im Kampf gegen den IS zuletzt wieder
einige Erfolge gab, wie Mitte November die Rückeroberung der
strategisch wichtigen Stadt Sindschar: Al-Abadis Hilferufe an die
internationale Gemeinschaft klingen schon einigermaßen verzweifelt.

Von Deutschland erbat sich der Ministerpräsident am Montag Hilfe beim
Wiederaufbau, bei der Beseitigung von Sprengfallen und Bomben sowie -
besonders pikant - bei der Ausbildung der irakischen Armee. Bislang
trainiert die Bundeswehr zwar mit etwa 100 Soldaten kurdische
Peschmerga-Kämpfern im Norden des Landes an der Waffe, die Armee aber
nicht. Steinmeier sagte zu Al-Abadis Bitte nur, er habe «genau
hingehört». Mehr nicht.

Die Bereitschaft, Bundeswehr-Ausbilder im Irak auch außerhalb der
Kurdengebiete einzusetzen, ist in Berlin ziemlich gering. Am
Dienstag, wenn es die Sicherheitslage zulässt, will sich Steinmeier
in der Kurden-Hauptstadt Erbil selber ein Bild machen. Auch ein
Besuch bei der Bundeswehr steht auf dem Programm. Fest steht, dass
die Zahl der Ausbilder auf 150 aufgestockt wird. Mehr Waffen gibt es
für die Kurden vermutlich auch.

Aber dann war das plötzlich auch gar kein so großes Thema mehr, weil
der Besuch von einem neuen Konflikt überschattet wurde, an denen es
im Nahen und Mittleren Osten ohnehin nicht mangelt. Der Irak ist
heftig empört darüber, dass die Türkei angeblich neue Truppen auf
sein Gebiet verlegt hat. Al-Abadi hat dem Nachbarn deshalb ein
48-stündiges Ultimatum gesetzt. Bis Dienstagabend sollen die
Einheiten wieder abgezogen werden.

Nach Angaben der türkischen Nachrichtenagentur Anadolu geht es dabei
um etwa 150 Soldaten und etwa 25 Panzer, die ein anderes Bataillon im
Norden des Landes ablösen wollten. Dort trainieren türkische Soldaten
- wie die Bundeswehr - bereits kurdische Peschmerga. Aus der
Entfernung versteht man noch nicht so recht, wieso der Streit gerade
jetzt hochkocht.

So aber war Steinmeier auch in Bagdad wieder einmal als Mahner
unterwegs. Der Sozialdemokrat forderte beide Seiten auf, ihren Streit
rasch beizulegen. «Diese Region kann keinen weiteren Konflikt
vertragen, auch keinen zwischen der Türkei und dem Irak. Deswegen
hoffe ich, dass diese Frage schnellstmöglich einer Lösung zugeführt
wird.» Die Antwort blieb man ihm in Bagdad allerdings schuldig.


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