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Gipfel zur Asylpolitik scheitert - Union weiter zerstritten


Von Werner Herpell, Tim Braune und Jörg Blank, dpa


/ 02.11.2015 / Wo sollen Flüchtlinge in Deutschland registriert und betreut werden?
Lässt sich der Andrang irgendwie begrenzen? Der Berliner
Koalitionsgipfel findet darauf keine Antworten. Auch der Zoff
zwischen Seehofer und Merkel ist nicht vom Tisch.

Berlin (dpa) - Die große Koalition bietet nach dem Scheitern ihres
Krisengipfels zur Asylpolitik ein Bild tiefer Zerstrittenheit.
Kanzlerin Angela Merkel (CDU), CSU-Chef Horst Seehofer und der
SPD-Vorsitzende Sigmar Gabriel konnten sich am Sonntag weder auf die
von der Union geforderten Transitzonen in Grenznähe noch auf weitere
Maßnahmen zur Begrenzung des Flüchtlingsandrangs einigen. Nun soll am
Donnerstag vor der Ministerpräsidentenkonferenz nach Lösungen gesucht
werden.

Die SPD hatte am Samstag statt der Transitzonen dezentrale
Registrierungs- und Einreisezentren vorgeschlagen und sich damit vom
Koalitionspartner CDU/CSU klar abgegrenzt. Seehofer hatte Merkel vor
einigen Tagen ein Ultimatum gestellt und bis zu diesem Sonntag
weitere Maßnahmen zur Eindämmung der Asylbewerberzahlen gefordert.

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Nach dem zweistündigen Dreiertreffen im Kanzleramt beriet die
Unionsspitze dort am Sonntag separat weiter - Gabriel hatte die Runde
zuvor wie geplant verlassen. Regierungssprecher Steffen Seibert
sprach von einer «Vielzahl von inhaltlichen Gemeinsamkeiten» in der
großen Koalition, doch es gebe «einige noch zu klärende
beziehungsweise offene Punkte». Dazu gehöre auch das Thema
Transitzonen. Zwischen CDU/CSU und SPD ist umstritten, ob diese
Bereiche bewacht oder eingezäunt werden müssen - «Haftzonen» lehnen
Gabriel und die SPD ab.

Aus Regierungskreisen hieß es am Mittag, es gebe noch erhebliche,
auch grundsätzliche Differenzen. Vor allem zwischen Merkel und
Seehofer knirscht es heftig, seit die Kanzlerin die Grenzen für
Flüchtlinge aus Kriegs- und Krisengebieten im September öffnete.
Dieses Jahr werden nach offizieller Prognose mindestens 800 000
Asylbewerber in Deutschland erwartet, Gabriel spricht von mehr als
einer Million. Eine Regierungssprecherin wies am Sonntag einen
Medienbericht zurück, wonach die Kanzlerin die Prognose intern nach
oben korrigiert haben soll.

Kurz angerissen wurden bei dem mit Spannung erwarteten Krisengipfel
dem Vernehmen nach der Umgang mit Afghanistan-Flüchtlingen sowie
Möglichkeiten, den Familiennachzug von Asylberechtigten zu begrenzen.
Dazu laufen Prüfungen, ob dann das Grundgesetz geändert werden muss
und ob es dafür Mehrheiten in Bundestag und Bundesrat gibt.

Gabriel hatte am Samstag seine verfassungsrechtliche Skepsis zu einer
in der Union angepeilten Begrenzung des Familiennachzugs deutlich
gemacht. Der SPD-Chef erklärte bei der Präsentation seiner Vorschläge
zur Einrichtung von Einreisezentren, dass Flüchtlinge, die sich einer
Registrierung dort verweigerten, weniger Leistungen bekämen und
erhebliche Nachteile im Asylverfahren erlitten. Das SPD-Konzept sei
«ein wesentlich intelligenterer Alternativvorschlag» als
Transitzonen, so der Vizekanzler.

Die rheinland-pfälzische Ministerpräsidentin Malu Dreyer (SPD)
unterstützte Gabriels Kurs und warf Seehofer «Krawallmacherei» vor.
Transitzonen erforderten «gigantische Einrichtungen für Zehntausende
Menschen», sie seien nicht umsetzbar und für den Rechtsstaat
problematisch, sagte sie am Sonntag der Deutschen Presse-Agentur.

Die Grünen kritisierten die Koalitionspläne: «Ob Einreisezentren der
SPD oder Transitzonen der Union, beide Vorschläge sind erneut reiner
Aktionismus», sagte die Vorsitzende Simone Peter. «Denn sie zielen am
grundsätzlichen Problem, dem akuten Personalmangel bei Registrierung
und Antragsbearbeitung sowie unterschiedlichen
Registrierungssystemen, völlig vorbei.»

Der Deutsche Landkreistag forderte, «den weiteren Zuzug
schnellstmöglich wirksam und deutlich zu begrenzen». «Jetzt ist die
Zeit für Lösungen, nicht für parteipolitische Auseinandersetzungen»,
sagte Hauptgeschäftsführer Hans-Günter Henneke.

Die deutsche Polizei rechnete für Sonntag mit einer weiterhin hohen
Zahl an Flüchtlingen, die über Österreich nach Bayern einreisen. In
Österreich warteten mehrere Tausend auf den Weitertransport Richtung
Deutschland. Allein an der Sammelstelle in Spielfeld an der Grenze
Österreichs zu Slowenien zählten die Behörden etwa 2300 Menschen.

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