GOSPODARKA BIZNES NOWE TECHNOLOGIE KOMENTATOR EUROPA-NIEMCY-POLSKA

EU-Jugend ohne Job - Deutschland als (vermeintlicher) Musterknabe


Von Klaus Tscharnke, dpa

/12.08.2015/ Verglichen mit anderen europäischen Ländern könnten sich Deutschlands Politiker eigentlich zurücklehnen - nirgendwo ist die
Jugendarbeitslosigkeit so gering wie hierzulande. Probleme gibt es
dennoch genug. Manche offenbaren sich erst auf den zweiten Blick.

Nürnberg (dpa) - Auf den ersten Blick scheint eigentlich alles
im Lot: Deutschland hat im EU-weiten Vergleich seit Jahren die
niedrigste Jugendarbeitslosigkeit. Im Mai 2015 waren lediglich
258 200 oder 5,7 Prozent der 15- bis 24-Jährigen bei der
Bundesagentur als arbeitslos registriert. Und selbst nach der
Messlatte der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO), die nach
ihrer Rechnung auf 7,1 Prozent kommt, macht kein anderes EU-Land der
Bundesrepublik den Titel des europäischen Musterknaben in Sachen
Jugendarbeitslosigkeit streitig. Erst der Blick hinter die Kulissen
offenbart lange Zeit unangepackte Probleme, wie Kritiker beklagen.

Dabei räumt selbst der Arbeitsmarktforscher Hans Dietrich, der die
Lage eher kritisch sieht, ein: Im Vergleich zu ihren Altersgenossen
in vielen südeuropäischen Ländern haben deutsche Jugendliche und
Heranwachsende vergleichsweise gute Startbedingungen. Die
Schulabsolventen und Berufsstarter profitieren dabei auch von der
seit Jahren guten Wirtschaftslage, berichtet der Spezialist für
Jugendarbeitslosigkeit beim Institut für Arbeitsmarkt- und
Berufsforschung (IAB).

reklama










Zudem erweise sich das duale Ausbildungssystem in Deutschland mit
seiner Mischung aus betrieblicher Praxis und schulischer Theorie als
eine Art Schmiermittel beim Berufsstart viele junger Leute. «Die
Betriebe haben drei Jahre Zeit, sich die Auszubildenden anzuschauen.
Sie wissen damit ganz genau, wen sie vor sich haben. Das minimiert
das Risiko für die Betriebe und erhöht die Chancen für die
Jugendlichen, am Ende der Lehre eine Stelle zu finden», erläutert
Dietrich.

Das sieht die Bundesagentur für Arbeit (BA) ganz ähnlich: «Mehr als
60 Prozent der Auszubildenden werden vom Ausbildungsbetrieb direkt
übernommen», betont eine Sprecherin - und macht dafür vor allem das
duale Ausbildungssystem, aber auch das BA-Berufsberatungssystem
verantwortlich. Das bedeutet: Die hohen Schwellen, vor denen
Jugendliche in einigen südeuropäischen Ländern stehen, gibt es in
Deutschland kaum.

Aber längst ist auch hier die Welt in Sachen Jugendarbeitslosigkeit
nicht so heil, wie es auf den ersten Blick scheint. Das mussten
unlängst selbst die christdemokratische Bundesbildungsministerin
Johanna Wanka (CDU) und ihre sozialdemokratische Ministerkollegin aus
dem Arbeitsressort, Andrea Nahles (SPD), bei der Vorlage des
Berufsbildungsberichts 2015 im April einräumen. Trotz verbesserter
Lage auf dem Lehrstellenmarkt seien immer noch 13,1 Prozent der
jungen Menschen in Deutschland ohne Berufsabschluss. Dieser Anteil
sei zwar in den vergangenen Jahren kontinuierlich zurückgegangen.
Trotzdem sehen auch die beiden Ministerinnen Handlungsbedarf.

Zu jenen, die seit Jahren zu raschen Maßnahmen im Kampf gegen
Bildungsarmut junger Leute drängen, gehört der
DGB-Arbeitsmarktexperte Wilhelm Adamy. Der Gewerkschafter, der auch
im BA-Verwaltungsrat sitzt, mahnte bereits 2013 in einer Studie: «Der
Verweis auf die im internationalen Vergleich insgesamt niedrige
Arbeitslosigkeit bei jüngeren Menschen ist keinesfalls Rechtfertigung
für bildungspolitische Enthaltsamkeit.» Nach seinen Beobachtungen hat
sich «die Chancenungleichheit auf dem Arbeitsmarkt bei einem Teil der
jungen Erwachsenen deutlich verstärkt». Vor allem in den Jobcentern
würden junge Leute zu wenig gefördert.

Bundesregierung und Bundesagentur haben inzwischen vor allem auf die
hohe Zahl von Ausbildungsabbrechern reagiert. Große Hoffnungen
verbindet die Bundesagentur etwa mit ihrem Programm für eine
«assistierte Ausbildung»: Jugendliche mit Migrationshintergrund oder
schwachem Schulabschluss sollen künftig während der Lehre einen
Betreuer zur Seite gestellt bekommen. Der soll sich bei Problemen
einschalten. Zudem will die Bundesagentur mit Nachhilfe,
Sprachunterricht und sozialpädagogischer Begleitung den Erfolg von
Lehrlingen sicherstellen. Arbeitslose ab 25 Jahren sollen zudem eine
zweite Chance im Rahmen einer späten Lehre erhalten.


logo
reklama
reklama
reklama
Remote Widget - Leaderboard Svezia
Low cost flights
 
Autumn/Winter Arrivals