Abwanderung in Ostdeutschland -
Von Simone Rothe, dpa
/11.08.2015/ Die Folgen von Abwanderung und Kindermangel sind 25 Jahre nach der
deutschen
Wiedervereinigung nicht zu übersehen: Der Osten des Landes
hat 2,3 Millionen Menschen
verloren. In manchen Regionen haben es
junge Männer schwer auf dem Heiratsmarkt.
Erfurt/Wiesbaden (dpa) -
ihren Töchtern und
Söhnen, die jetzt in Berlin, Frankfurt, München,
Hamburg oder Wien leben. In Ostdeutschland,
so scheint es, pflegt
eine Elterngeneration intensive Fernbeziehungen zu ihren Kindern.
In
Scharen haben vor allem die Jungen in den 1990er Jahren und in
einer zweiten Welle
um die Jahrtausendwende die fünf neuen
Bundesländer verlassen -
Arbeitsplätzen, nach Zukunft und einem guten Einkommen. Weil in den
Wirren
während der deutschen Wiedervereinigung ohnehin wenige Kinder
geboren wurden, sprechen
Bevölkerungsforscher nun von der halbierten
Generation. Und sie verweisen auf ein
Phänomen: den Männerüberschuss.
«Die ländlichen Räume Ostdeutschlands weisen ein großes
Defizit an
jungen Frauen auf, das selbst auf europäischer Ebene beispiellos
ist», heißt
es in einer Studie des Bundesinstituts für
Bevölkerungsforschung in Wiesbaden zu Ursachen
und Folgen der
Abwanderung aus den fünf neuen Bundesländern.
«Not am Mann» überschrieb das Berlin-
Entwicklung eine
Untersuchung, die vor einigen Jahren erstmals auf
das Problem und die schlechten Karten
gering qualifizierter junger
Männer auf dem ländlichen Heiratsmarkt aufmerksam machte.
«Das
ist immer noch so. Das ist eine Folge der Wanderungsbewegungen -
erst zwischen Ost
und West und jetzt zwischen Land und Stadt», sagt
Manuel Slupina vom Berlin-
Westen gebe es weniger Frauen. «Aber längst nicht in
diesem Ausmaß.»
Im Gegensatz zur Not der Dörfer und Kleinstädte entwickeln sich
einige
Städte inzwischen wieder zu «Wachstumsinseln» inmitten der
«Schrumpfregion» Ost, die
seit der Wiedervereinigung 2,3 Millionen
Menschen verloren hat. Zu den Inseln zählen
die Hochschulstädte Jena,
Greifswald oder Weimar, aber auch das Umland von Berlin
sowie die
Großstädte Leipzig (Sachsen), Dresden (Sachsen), Erfurt (Thüringen)
und neuerdings
auch Magdeburg (Sachsen-
Greifswald, das in einer eher strukturschwachen Region
Mecklenburg-
an der Bevölkerung der 18-
errechnet.
Der Männerüberschuss hat seine Ursache in den besonders
mobilen
ostdeutschen Frauen im Alter von 18 bis 24 Jahren. Und in ihren im
Vergleich
zu Jungen tendenziell besseren Schulabschlüssen -
sind sich alle Wissenschaftler
einig. Die jungen Frauen packten vor
allem in den Regionen die Koffer, die abseits
der größeren Städte und
der Pendlerregionen entlang der Grenzen zu den westdeutschen
Ländern
Bayern, Hessen oder Niedersachsen liegen.
In der Altersgruppe der 18-
bis zu 25 Prozent mehr Männern als Frauen, konstatiert das
Bundesinstitut
in Wiesbaden. «Das gilt vor allem für strukturschwache
Regionen.» Die Herausforderungen
dort durch die schrumpfende und
älter werdende Bevölkerung sind groß: für den Arbeitsmarkt
durch
Fachkräftemangel, für Sozialsysteme, Infrastruktur, öffentliche
Kassen bis hin
zu rechtsextremen Tendenzen in von Männern geprägten
Regionen.
Der Gegensatz zwischen
Frauendefiziten in ländlichen Räumen und
Frauenüberschüssen in Städten nehme noch
zu. «Eine Trendwende ist
nicht zu erkennen», sagen die Bevölkerungsforscher. Der Präsident
des
Instituts für Wirtschaftsforschung Halle (IWH), Reint E. Gropp, rät
dazu, aus der
Not eine Tugend zu machen: «Man muss sich auf die
Städte konzentrieren, gerade in
Ostdeutschland. Sie müssen
attraktiver werden für die Zielgruppe der gut ausgebildeten,
möglichst
kinderreichen jungen Familien.»
Als Gegenden mit Frauenmangel in der Altersgruppe
bis 39 Jahren
gelten beispielsweise die Region Parchim in Mecklenburg-
das
Jerichower Land in Sachsen-
Mittelsachsen oder
der Kreis Schmalkalden-
Thüringens.